Urteile - Gewerblicher Rechtsschutz

Kann nicht den Mund verbieten - Anbieter auf „Amazon“ haftet nicht für Kundenbewertungen

BGH, Urteil vom 20.02.2020, Az.: I ZR 193/18

Nach einem Urteil des BGH trifft den Anbieter eines Produkts auf „Amazon“ keine wettbewerbsrechtliche Haftung für Bewertungen des Produkts durch Kunden.

Die Beklagte, die u. a. auf der Handelsplattform „Amazon“ Kinesiologie-Tapes vertreibt, hatte sich gegenüber einem eingetragenen Wettbewerbsverein strafbewehrt verpflichtet es zu unterlassen, die Tapes damit zu bewerben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist.

Nach Abgabe der Unterlassungserklärung bot die Beklagte die Kinesiologie-Tapes weiterhin auf „Amazon“ an, bewarb diese jedoch nicht mehr mit der „schmerzlindernden Wirkung. Bei „Amazon“ wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden.

Auch in dem streitgegenständlichen Angebot aus Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!", „This product is perfect for pain…", „Schnell lässt der Schmerz nach", „Linderung der Schmerzen ist spürbar", „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" und „Schmerzen lindern" enthielten. Hierin sah der klagende Wettbewerbsverein einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung an und forderte die Beklagte zur Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe auf.

Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte „Amazon“ auf Anfrage der Beklagten ab. Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Bereits das Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Es verneinte einen Unterlassungs-anspruch. Die Berufung des Klägers hatte ebenso keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen.

Gegen die Entscheidung des OLG legte der klagende Wettbewerbsverein Revision ein und kassiert auch dort eine Niederlage. Der BGH wies die Revision des Klägers zurück.

Der Senat betonte, dass das Berufungsgericht mit Recht angenommen habe, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei „Amazon“ angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung treffe. Die Kundenbewertungen seien zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte habe mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts habe sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch habe sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen habe. Die Kundenbewertungen seien vielmehr als solche gekennzeichnet, fänden sich bei „Amazon“ getrennt vom Angebot der Beklagten und würden von den Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet.

Die Beklagte habe auch keine Rechtspflicht getroffen, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen zu verhindern, führten die Richter weiter aus. Durch ihr Angebot auf „Amazon“ werde keine Garantenstellung begründet, unterstreicht der BGH. Von ausschlaggebender Bedeutung sei dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht seien und verfassungsrechtlichen Schutz genössen. Das Interesse von Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, werde durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschütz

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