Urteile - Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht

Freelancer? – Pilot ohne eigenes Flugzeug

LSG Hessen, Urteil vom 03.11.2022, Az. 11.2022 L 8

Das Landessozialgericht Hessen hat entschieden, dass ein Pilot ohne eigenes Flugzeug abhängig beschäftigt ist und somit Versicherungspflicht bei der Rentenversicherung besteht.

In einem Unternehmen, welches Wurstwaren produziert und neben Kraftfahrzeugen ein Flugzeug im Firmenbestand hatte, war der Pilot als „Freelancer“ beschäftigt. Er war für das Unternehmen an 6 bis 7 Tagen im Monat als Flugzeugführer im Einsatz und bekam pro Einsatz eine Tagespauschale in Höhe von ca. € 120,00 vergütet.

Die Deutsche Rentenversicherung leitete ein Statusfeststellungsverfahren ein, um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Piloten festzustellen. Das Ergebnis lautete darauf, dass der Pilot als abhängig beschäftigt einzustufen sei und somit eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestehe.

Das Unternehmen meinte, dass der Pilot weder in den Betrieb eingegliedert sei noch Weisungen des Unternehmens unterliege und erhob gegen die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Klage.

Das LSG gab der Rentenversicherung Recht. Der Pilot sei in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert. Maßgeblich sei nach Ansicht der Richter, dass er mit der Beförderung der Beschäftigten unmittelbar dem Erreichen der Geschäftszwecke des Unternehmens diene. Auf eine Tätigkeit in der eigentlichen Betriebsstätte komme es hingegen nicht an. Der Pilot sei auch verpflichtet gewesen, die erteilten Flugaufträge persönlich durchzuführen und habe dem Weisungsrecht des Unternehmens unterlegen. Soweit ein konkreter Flugauftrag erteilt worden sei, seien die Pflichten des Piloten weitgehend festgelegt gewesen. Ihm habe neben der Vorbereitung und Durchführung des Fluges auch die Nachbereitung und Dokumentation von Flügen oblegen. Dies habe unter anderem die Überprüfung von Luftdruck, Öl und Treibstoff sowie das Reinigen und Betanken nach dem jeweiligen Flug umfasst. Zudem sei er für ergänzende Dienstleistungen bei der Betreuung der Fluggäste zuständig gewesen.

Als nicht relevant wertete das Gericht die Tatsache, dass das klagende Unternehmen sein Direktionsrecht nicht durch Einzelanweisungen während der jeweiligen Aufträge gegenüber dem Piloten ausgeübt habe. Denn es bestehe ein „Rahmen-Dienstvertrag über freie Mitarbeit eines Flugzeugführers (Freelancer)", aus dem grundsätzlich die Art der Durchführungen der Einzelaufträge hervorging. Bei hochspezialisierten Dienstleistungen, wie das Fliegen von Luftfahrzeugen, schieden zudem Weisungen über das „Wie" der Tätigkeit naturgemäß aus, ohne dass dies für die Statusfeststellung von entscheidender Bedeutung sei, so das Gericht weiter.

Als weiteren Punkt, der gegen eine selbstständige und für eine abhängige Beschäftigung spreche, hob das Gericht das Fehlen des unternehmerischen Risikos des Piloten hervor. Das Unternehmen habe das Flugzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Tätigkeit des Piloten sei insoweit nicht anders zu bewerten als die eines Kraftfahrers ohne eigenes Kraftfahrzeug. In beiden Fällen stünden den Beschäftigten keine Betriebsmittel zur Verfügung, um anderweitig am Markt unternehmerisch tätig zu werden. Aufgrund der Kosten für fliegerärztliche Bescheinigungen und flugrechtliche Erlaubnisse sei auch kein unternehmerisches Risiko anzunehmen. Denn diese Kosten müsse der Pilot in jedem Fall aufwenden, um seinen Beruf – ob als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger – ausüben zu können.

Eine weitere Entscheidung die belegt, dass es in nahezu keiner Branche mehr den „freien Mitarbeiter“ gibt.

Ob die Entscheidung rechtskräftig ist, ist diesseits nicht bekannt.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief Dezember 2022.

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