Urteile - Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht

„Druckkündigung“ kann bei zu wenig Schutz durch den Arbeitgeber unzulässig sein

LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.05.2025, Az. 10 SLa 687/24

Das LAG Niedersachen hat eine Druckkündigung eines Arbeitnehmers für unzulässig erklärt, weil der kündigende Betrieb nicht alles ihm Zumutbare unternommen habe, um die innerbetrieblichen Konflikte unter den Angestellten abzustellen.

Der Kläger, der das 40. Lebensjahr vollendet hatte, war nach 15-jähriger Dienstzugehörigkeit von seinem Arbeitgeber gekündigt worden. Dieser hatte Druck von übrigen Mitarbeitern erhalten, die androhten selbst die Kündigung einzureichen, sollte der spätere Kläger nicht gekündigt werden. Das Arbeitsklima galt bereits seit zehn Jahren als „höchst konfliktbelastet (…)", sämtliche außergerichtlichen Einigungsversuche waren gescheitert.

Der Arbeitgeber beugte sich dem Druck und sprach trotz arbeitgeberseitigen Hürden durch tarifliche Sonderreglungen die fristlose Kündigung aus, hilfsweise stellte der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag.

Der Kläger nahm weder die Kündigung noch den Auflösungsantrag hin und reichte dagegen Klage ein.

Das LAG gab der Klage statt und befand, dass die fristlose Kündigung mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam sei, was auch für den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag gelte.

Eine Druckkündigung sei nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor alles Zumutbare unternommen habe, um die Belegschaft von ihrer Drohung der Eigenkündigung abzubringen. 

Dazu gehöre es nach Ansicht der Richter, dass sich der Arbeitgeber „schützend vor den Arbeitnehmer stelle" und aktiv zu deeskalieren. Es bedürfe demnach ein planvolles und aktives Handeln des Arbeitgebers, was die Richter im konkreten Fall nicht erkennen konnten. Maßnahmen wie interne Schreiben, eine Bereichsversammlung oder ein vage gebliebenes Mediationsangebot reichten dem LAG nicht aus. Die Arbeitgeberin habe nicht überzeugend dargelegt, welche konkreten Bemühungen sie unternommen habe, um das Arbeitsklima zu verbessern – auch weil ein ernsthafter Versuch einer Mediation fehlte.

Auch außerhalb der Drucksituation vermochte das Gericht keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu erkennen. Zwar lag ein seit Jahren konfliktbelastetes Arbeitsverhältnis vor, jedoch fehlten konkrete Pflichtverletzungen oder eine einschlägige Abmahnung des betreffenden Mitarbeiters. Soweit die Arbeitgeberin auf vergangene Versetzungen oder Konflikte verwies, sei dies ohne aktuelle Eskalation nicht ausreichend, so das Gericht in der Begründung. Auch sei nicht erkennbar, dass der Kläger sich zudem einer Mediation grundsätzlich verweigert hätte, so dass diese deeskalierende Möglichkeit ungenutzt geblieben sei.

Zudem biete eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Ausweg, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen sei. Selbst wenn der Arbeitgeber nachvollziehbare Gründe für eine Trennung sehe, bleibe ihm der Auflösungsantrag nach dem Kündigungsschutzgesetz versperrt, sofern die Kündigung unwirksam ist. 

Ob die Entscheidung rechtskräftig ist, ist diesseits nicht bekannt.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief September 2025.

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